Eine verrückte Idee

Einen Tunnel zum Stillstand bringen war die Idee. Eine Lampe, zwei Stühle, ein flauschiger Teppich, sonst nichts. Eine neue, eine weitere Wirklichkeit erschaffen. Was ist wahr? Reifen surren auf Asphalt, kuschelig warme Jacke, Autos rauschen vorbei, ein eisiger Luftzug. Samtiger Plüsch auf weichen Sesseln. Das Rücklicht schwindet, rot verzerrt. Stell dir vor, ein winziger Zwischenraum, zwischen Asphalt und Plüsch, tut sich auf. Gerade groß genug, um dir deine eigene Geschichte zu erzählen:

Vom sich Erheben, aus dem vertrauten Gewohnten. Wie du dem Tunnel folgst. Dort vorne, in einer Nische versteckt, eine Tür entdeckst. Du klopfst an, machst auf, trittst hindurch. Und es kann sein, dass du dich an einem Bachbett wiederfindest. Es kann sein, dass die Morgensonne einen Fluss zum Glänzen bringt, während Nebelschwaden über Baumwipfel ziehen. Daheim ist überall dort, wohin deine Geschichten dich tragen. Kaikkialla, mehr als ein Wort.

KAIKKIALLA wird zwischendurch schräge Ideen umsetzen. Nur das ÜBERALL und die Frage „Was ist wahr?“ werden uns leiten. Und weil es immer eine Frage der Perspektive ist, die vorgibt, woran man glaubt, wollen wir diese gelegentlich auf den Kopf stellen.

Also, so fragten wir uns, warum nicht ein Fotoshooting in einem Autotunnel. Coole Idee, dachten wir. Nur, wo bekommt man einen Tunnel her? Kurzum, wir machten sogar einen niegelnagelneuen Tunnel ausfindig und konnten mit RAINER zudem einen wirklich coolen Typen für unsere etwas andere Perspektive gewinnen. Nichts in unseren Bildern ist Fake. RAINERs rote Hose, der vorbeirauschende SUV, die Stehlampe, der flauschige Teppich, die Sessel. Es war harte Arbeit und saumäßig kalt. Und übrigens: Nur eine Tür trennt die Location im Tunnel von der Story im Bachbett ÜBERALL DAHEIM: „Dort vorne, in einer Nische versteckt, eine Tür entdeckst.“ Vielleicht kannst du dieses Rätsel lösen.

Unsere Resümee aus dem Tunnel: Die Augen offenhalten, sich ab und zu auf eine andere Sichtweise einlassen. Nichts für unmöglich halten. Dabei keine Angst vor dem Scheitern haben. Etwas Neues beginnen, dessen Ausgang ungewiss ist. Diesmal, so glauben wir, hatten wir Glück. Tolle Fotos und die Begegnung mit einem lässigen Typen:

Rainer kennt den eigenen, und auch den Wert der anderen. In sich gekehrt, setzt Schritt um Schritt, nach genauem Maß: für Weg und Zeit und Ziel. Ein kreativer Geist, mit Mut zum Anderssein. Er packt an. Sagt ja, zu sich. Sagt ja, zu dir, zu mir. Ohne Scheu vor Neuem. Es ist nie zu spät. Einzig was zählt? Sei frei im Sein.

BUCHEMPFEHLUNG: Der Himmel unter der Stadt, Colum McCann, RoRoRo Verlag

Als Anfang des 20. Jahrhunderts der erste Tunnel unter dem East River entsteht, der Brooklyn mit Manhatten verbindet, ahnt niemand, dass viele Jahrzehnte später Menschen in dem unterirdischen Labyrinth leben werden.